27 Jan.

New Work Projekte in Unternehmen planen und durchführen

NEW WORK PROJEKTE. Was bedeutet New Work für uns? Auf diese Frage muss jedes Unternehmen seine eigene Antwort finden. Davon sind die Change- und New Work-Berater Caroline Zielke und Max Leichner überzeugt.

? Frau Zielke und Herr Leichner, die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner bietet seit diesem Jahr eine Ausbildung zum New Work Berater bzw. Pioneer an. Warum?
Max Leichner: Wir reagieren damit auf eine entsprechende Nachfrage von Unternehmen und teils auch der Beraterzunft.
? Inwiefern?

New Work Change- & Projekt-Berater Max Leichner

Leichner: Nun, viele Unternehmen haben während der Corona-Krise erkannt, dass sie, um zukunftsfit zu sein, unter anderem die Arbeit und Zusammenarbeit in ihrer Organisation in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUKA-Welt anders strukturieren müssen. Offen ist aber noch die Frage wie und hierauf versuchen sie in der New Work-Debatte, für sich passende Antworten zu finden.
? Entschuldigen Sie die Wortwahl, aber wird bei der aktuellen New Work-Diskussion nicht nur eine neue Sau durch’s Dorf getrieben, nachdem der Hype um das Thema Agilität abgeebbt ist?
Caroline Zielke: Wir sehen das anders. Aus unserer Warte fließen in die aktuelle New Work-Debatte zwar viele Aspekte ein, die auch schon im Zusammenhang mit dem Thema Agilität eine wichtige Rolle spielten. Diese wurden jedoch um weitere Dimensionen ergänzt.

 

New Work Ziel: Mit den Mitarbeitern die (Zusammen-)Arbeit neu gestalten

? Um welche?
Zielke: In der Debatte über das Thema Agilität stand primär die Frage zentral: Wie gelingt es uns, in unserer Organisation die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um adäquat bzw. mit der nötigen Flexibilität auf die Herausforderungen zu reagieren, vor denen wir in der VUKA-Welt stehen? Die Frage, wie gewinnen wir die Mitarbeiter für dieses Anliegen, spielte hierbei eine eher nachgeordnete Rolle. Bei der aktuellen New Work-Debatte ist dies anders. Hierbei spielt zwar auch der Wunsch der Unternehmen, sich zukunftsfit zu machen, eine zentrale Rolle. Die Mitarbeiter mit ihren Wünschen und Bedürfnissen stehen aber stärker im Fokus. Das verändert die Diskussion.
? Wie kam es dazu?
Leichner: Aus unserer Warte stehen eigentlich alle Themen, die aktuell in Zusammenhang mit dem Thema New Work diskutiert werden, schon längere Zeit zumindest latent auf der Tagesordnung der Unternehmen.
? Welche zum Beispiel?
Zielke: Zum Beispiel die Frage: Wie gelingt es uns in unserer arbeitsteiligen Welt, den Wunsch der Mitarbeiter zu befriedigen, ihre Arbeit als sinnhaft zu erfahren? Oder: Wie schaffen wir es, wenn unsere Mitarbeiter zunehmend in virtuellen Teams an verschiedenen Orten arbeiten, dass bei ihnen ein Wir-Gefühl entsteht?
Leichner: Oder wie gelingt es uns, dem insbesondere von Angehörigen der Generation Y und Z oft geäußerten Wunsch nach einer ihren Bedürfnissen entsprechend gestalteten Arbeitswelt gerecht zu werden und die Arbeit so zu organisieren, dass sie ihnen auch ausreichend Raum zur Selbstverwirklichung im privaten Bereich lässt?
Zielke: Richtig. All diese Themen standen schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie latent auf der Agenda der Unternehmen. Durch die Pandemie wurden sie aber sozusagen von der Hidden Agenda mancher Personaler auf die offizielle Unternehmensagenda gehievt.

 

Die Corona-Pandemie hat das Umdenken im Bereich New Work beschleunigt.

? Wieso?

New Work Change- & Projekt-Beraterin Caroline Zielke

Zielke: Ausgelöst durch die Pandemie mussten die Unternehmen sozusagen über Nacht viele Arbeitsprozesse sowie die Zusammenarbeit neu strukturieren.
? Weil ihre Mitarbeiter zum Beispiel nur noch im Homeoffice arbeiten konnten?
Zielke: Ja, und manche Mitarbeiter fanden dies schrecklich und andere wiederum toll, zumindest teilweise von Zuhause aus zu arbeiten. Auf alle Fälle stellten sie sich jedoch verschärft die Frage: Was ist mir bei meiner Arbeit wichtig und wie sieht eine gesunde Work-life-balance für mich aus? Und hieraus erwuchsen, da die Pandemie bei uns nun fast schon ein Jahr andauert, auch neue Erwartungen und Ansprüche an ihre Arbeitgeber – Erwartungen, auf die diese reagieren müssen, ob sie wollen oder nicht.
Leichner: Zumal viele Unternehmen auch die Erfahrung sammelten, dass wenn ein großer Teil der Mitarbeiter im Homeoffice arbeitet und die gewohnte Alltagskommunikation weitgehend entfällt, mit der Zeit auch die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen und ihre Identifikation mit ihrer Arbeit bröckelt – u.a. weil eine wichtiges Element von Führung fehlt bzw. sich Führung und Zusammenarbeit im digitalen Raum erst etablieren muss. Also stellt sich für die Unternehmen verschärft die Frage: Wie kriegen wir die divergierenden Interessen und die sich oft auch teilweise widersprechende Interessen der Mitarbeiter unter einen Hut und wie stellen wir sicher, dass ihre Bindung ans Unternehmen und ihre Motivation gewahrt bleibt? Aber auch: Wie gelingt es uns, bei allen individuellen Gestaltungsfreiräumen, die wir gewähren, dass noch ein gemeinsames Commitment auf bestimmte Ziele und Werte besteht?

 

New Work Dilemma: Mehr Freiräume gewähren und das Gemeinschaftsgefühl bewahren

? Also dass nicht jeder macht, was er gerade möchte, und sich der Führungsstil nicht von Bereich zu Bereich unterscheidet und sozusagen beliebig wird?
Zielke: Ja, denn über allem steht die Maxime „Wir sind eine Gemeinschaft und haben als solche auch ein gemeinsames Ziel“ und jeder leistet seinen Beitrag, damit wir dieses erreichen. Hierfür gilt es die nötige Kultur zu schaffen.
? Das klingt komplexer und vielschichtiger als man zunächst denkt, wenn man das Wort New Work hört.
Zielke: Ist es auch, denn wenn man sich mit dem Thema ernsthaft befasst, landet man schnell bei Fragen wie: Für welche Werte stehen wir als Unternehmen? Von welchem Menschenbild lassen wir uns bei der Zusammenarbeit leiten? Was bedeutet für uns Führung und welchen Wert messen wir ihr bei? Aber auch: Nach welchen Kriterien soll in unserer Organisation künftig entlohnt werden?
Leichner: Außerdem: Wie strukturieren wir künftig unsere Organisation sowie die Prozesse in ihr, denn in der Struktur einer Organisation spiegelt sich stets auch deren Kultur wider.

 

New Work erfordert in Unternehmen Alt-Bewährtes zu hinterfragen

? Das klingt, als müssten sich die Unternehmen neu erfinden?
Leichner: Partiell ja. Zumindest stößt man, wenn man sich ernsthaft mit dem Thema New Work befasst aufgrund der vielen Interdependenzen und Wechselwirkungen auf immer neue Fragen, die es zu berücksichtigen gilt.
? Was sind denn aus Ihrer Warte die Kernelemente von New Work?
Leichner: Offen gesagt. Letztlich wissen wir das nicht.
? Obwohl Sie eine New Work Berater bzw. Pioneer Ausbildung anbieten?
Leichner: Ja, denn in Zusammenhang mit dem Begriff, den der Sozialphilosoph Frithjof Bergman in den 1990er Jahren prägte, werden zwar immer wieder Vokabeln wie Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft genannt (siehe Kasten 1); zudem werden Forderungen laut, wie dem Einzelnen die erforderlichen Freiräume zur kreativen Entfaltung seiner Persönlichkeit zu bieten, doch konkretisiert und operationalisiert werden diese Vokabeln und Forderungen meist nicht.
Zielke: Bezogen auf uns bedeutet dies. Wir wissen zwar aufgrund unserer Erfahrung aus entsprechenden Change- oder Transformationsprojekten, welche Dimensionen vom Thema New Work berührt werden und worauf beim Planen und Durchführen solcher Projekte zu achten ist, doch letztlich muss jedes Unternehmen selbst entscheiden: Was bedeutet für uns New Work?
Leichner: Und diesen kollektiven Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess gilt es zu moderieren.

 

Den New Work Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess gezielt gestalten

? Das klingt für mich, als sei der Begriff „New Work“ eine Leerformel, in die jede Person bzw. Organisation alles packen kann, was ihr wichtig erscheint oder wovon sie träumt.
Leichner: Nein, so beliebig ist dies nicht. Schließlich hat jede Organisation aufgrund ihrer Historie auch bestimmte Stärken und Schwächen bzw. Kompetenzen und andere nicht. Zudem steht sie aufgrund ihrer Marktposition und aufgrund ihres Marktes auch vor ganz speziellen Herausforderungen. Diese Faktoren müssen in die Debatte einfließen, sonst wird das Ganze zur Tagträumerei.
Zielke: Auch deshalb bedarf es in der firmeninternen Debatte über das Thema New Work Moderatoren – also Personen, die die Betroffenen bzw. Beteiligten situationsabhängig mal dazu animieren, out of the box zu denken, also bei der Problemlösung ganz neue Wege zu gehen, und die zum Beispiel mal nachfragen: Welche Auswirkungen hat es für die anderen Bereiche, wenn wir diese Idee realisieren? Nehmen wir dann noch unsere Funktion in der Organisation wahr? Und, und, und.
? Also Personen, die die Diskussion bei Bedarf auch wieder erden?
Zielke: Ja. Zudem bedarf es Personen auf der operationalen Ebene, die als Sounding Board der Interessen und Wünsche, aber auch Ängste und Befürchtungen der Mitarbeiter gegenüber der Unternehmensleitung fungieren.
? Diese Personen auf der operativen Ebene, die Sie „New Work Pioneers“ nennen, haben also, wenn es um die Steuerung des Gesamtprojekts geht, zwei Funktionen: Erstens dafür zu sorgen, dass das sogenannte Employee Voice in dessen Planung einfließt und zweitens, dafür zu sorgen, dass die Veränderungen auf der operativen Ebene sich an den gemeinsamen, übergeordneten Werten und Zielen orientieren.
Leichner: Ja, letzteres ist wichtig, weil sonst die Gefahr besteht, dass die Bereiche in der Organisation bezüglich ihrer Kultur und Arbeitsweise auseinander driften und letztlich ein Eigenleben führen oder die Veränderungen nicht nachhaltig sind. Das helfen „New Work Pioneers“ zu vermeiden.

 

Die „New Work Pioniere“ auf ihrer Lernreise begleiten

Offene New Work Ausbildung von K&P; Start: Ende März 2021

? Und in Ihrer Ausbildung bilden Sie Personen mit den hierfür erforderlichen Fähigkeiten aus?
Zielke: Ich würde eher sagen: Wir unterstützen und begleiten sie in ihrer Entwicklung zu Persönlichkeiten, die über die Kompetenz verfügen, diese Funktion professionell wahrzunehmen.
? Warum?
Zielke: Weil wir ihnen auch nicht, wie ein Lehrer oder klassischer Ausbilder sagen können „Tue dies und das dann ist in deinem Unternehmen oder in dem Unternehmen, für das du arbeitest, New Work realisiert“ – und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein Kleinunternehmen oder einen Konzern, eine Reinigungsfirma, eine Forschungseinrichtung oder ein Produktionsunternehmen handelt. Die Antwort auf die Frage „Was ist New Work und wie erreichen wir in unserer Organisation das angestrebte Ziel?“ muss jeder Teilnehmer letztlich selbst finden – im Diskurs mit uns und den anderen Teilnehmenden und noch viel wichtiger mit den Betroffenen in dem Unternehmen, in dem oder für das er arbeitet. Wir können ihn letztlich nur bei seiner persönlichen Lernreise unterstützen und begleiten.

 

Online-Seminare mit Coaching und Projektarbeit kombinieren

? Ist Ihre Ausbildung deshalb modular aufgebaut und erstreckt sich über einen Zeitraum von vier Monaten?
Leichner: Ja, und deshalb muss auch jeder Teilnehmende im Rahmen der Ausbildung ein New-Work-Projekt in dem Unternehmen, für das er tätig ist, im Dialog mit den Betroffenen planen und wenn nicht durchführen, so doch zumindest initiieren.
? Überfordert das die Teilnehmer nicht?
Leichner: Nein, denn zum einen werden sie in den ersten beiden Ausbildungsmodulen auf diese Aufgabe vorbereitet. Zum anderen werden sie während der gesamten Ausbildungsdauer von den Lead-Trainern, also Caroline und mir, intensiv gecoacht. Zudem muss es sich bei ihrem Projekt ja nicht um so ein Megaprojekt handeln, wie die Kultur eines Konzerns zu verändern. Dies wäre in vier, fünf Monaten ohnehin unmöglich. Das Projektziel kann auch lauten: „Wir schaffen in der Abteilung x die Rahmenbedingungen, dass das aktuelle Provisorium ‚Arbeiten im Homeoffice‘ zu einem festen Bestandteil unseres Regelbetriebs wird.“ Oder: „Wir gestalten im Bereich y die Zusammenarbeit so, dass jeder Mitarbeiter das Gefühl hat, ich mache eine sinnvolle Arbeit und kann meine Kompetenzen einbringen.“ Auch bei solchen Kleinprojekten gilt es so viele Einflussfaktoren und Interdependenzen, Interessen und Bedürfnisse zu beachten, dass sie gute Lernprojekte sind.

 

Pilot-Projekte dienen als Lern-Projekte für große Change-Projekte

Zielke: Zudem können sie als Pilotprojekte für komplexere Projekte oder Projekte in anderen Bereichen dienen und kann von ihnen deshalb auch eine Initialzündung ausgehen.
Leichner: Entscheidend ist, man macht sich irgendwann auf den Weg.
Zielke: Und jeder Weg beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt.
? Frau Zielke und Herr Leichner, danke für das Gespräch.

Bernhard Kuntz

Zu den Interviewpartnern:
Die Interviewpartner arbeiten als Management-, Change- und New Work-Berater für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Diese bietet eine berufsbegleitende New Work Pioneer Ausbildung an, in der Max Leichner und Caroline Zielke als Lead-Trainer fungieren.

Hinweis: Dieses Interview wird bis Ende April in mehreren Print- und Online-Medien erscheinen.

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