11 Aug.

Sinnstiftende Personal- und Unternehmensführung

PERSONALFÜHRUNG. Jedes Unternehmen wünscht sich hochmotivierte Mitarbeiter, die einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Doch wie lässt sich dieses Ziel erreichen? Das erläutert der Managementberater Joachim Simon in einem Artikel.

 

Führungskräfte können ihre Mitarbeiter anweisen, was und wie sie etwas zu tun haben. Doch welchen Sinn sie darin zu sehen haben, können sie ihnen nicht vorgeben. Den Sinn – oder neudeutsch „Purpose“ – müssen Menschen in ihrer Arbeit selbst finden. Für ihre Motivation ist das extrem wichtig, denn: Nur wer seinen Sinn gefunden hat, übernimmt Verantwortung.

 

Joachim Simon: Managementberater, Braunschweig

Simon Sinek formulierte diesen Zusammenhang in seinem Bestseller „Start with why“ bereits 2009. Ihm zufolge müssen Unternehmen ihren Kunden und Mitarbeitern einen übergeordneten Sinn aufzeigen, wenn sie langfristig Erfolg haben möchten. Der Ökonomiepsychologe

 

Aaron Hurst griff Sineks Gedanken in seinem Buch „The Purpose Economy“ auf und bezog sie auf den individuellen Purpose von Menschen.

 

 

Die drei Dimensionen des Sinns bzw. Purpose

 

Hurst unterscheidet drei Purpose-Dimensionen:

  1. Who: Für wen arbeite ich?
  2. Why: Warum arbeite ich?
  3. How: Wie arbeite ich?

Diese Who-Why-How-Trilogie hilft Unternehmen zu ermitteln, welche Angebote sie ihren Mitarbeitern zur Sinnfindung machen können.

 

  1. Who: Für wen arbeite ich?

Manche Menschen haben bei ihrer Arbeit primär einzelne Personen im Blick, andere das Unternehmen und wieder andere eine Gemeinschaft oder die Gesellschaft.

  • Fokus Menschen: Viele Personen arbeiten bevorzugt für Menschen, die sie kennen und wertschätzen. Das können ihr Chef oder Kollegen sein, die sie nicht im Stich lassen möchten; ebenso Kunden, zu denen sie eine persönliche Beziehung haben, oder Personengruppen, für die sie besondere Sympathien hegen.
  • Fokus Unternehmen: Bei anderen Menschen erwächst die Motivation primär daraus, dass sie sich als Teil eines größeren Ganzen verstehen, zu dessen Wohlergehen oder Erfolg sie ihren Beitrag leisten möchten – zum Beispiel indem sie für ihr Unternehmen eine strategisch wichtige Software entwickeln. Ihr Stolz, dieser Gemeinschaft anzugehören, kann unterschiedliche Gründe haben – zum Beispiel das Unternehmen ist sehr innovativ oder expansiv oder es bietet seinen Mitarbeitern große Gestaltungsspielräume.
  • Fokus Gemeinschaft: Andere Menschen wollen mit ihrer Arbeit primär einen Beitrag zum Wohlergehen oder zur Weiterentwicklung der Gesellschaft leisten. Das kann die Gesellschaft als Ganzes sein – etwa wenn das Unternehmen im Umweltschutz aktiv ist. Das kann aber auch eine lokale oder regionale Gemeinschaft sein.

 

Unternehmen sollten auf die Frage „Für wen arbeiten wir?“ eine Antwort haben, denn: Je stärker sich ihre Mitarbeiter mit dem „Who“ identifizieren, desto selbstverantwortlicher und engagierter arbeiten sie.

 

  1. Why: Warum arbeite ich?

Laut Hurst gibt es zwei „Warum“-Arten: Entweder tun Menschen etwas, weil sie an das Prinzip „Karma“ glauben, oder weil sie der Welt und den Menschen zu mehr „Gerechtigkeit“ verhelfen möchten.

  • Karma: Ans Karma glauben, heißt der Überzeugung sein, wenn ich etwas Gutes tue, fällt dies irgendwie positiv auf mich zurück. Dasselbe gilt für schlechte Taten. Menschen, die ans Karma glauben, sind überzeugt, dass sich Systeme immer wieder selbst ins Gleichgewicht bringen. Deshalb haben sie in der Regel ein liberales Wirtschaftsverständnis. Sie vertrauen auf das freie Spiel der Kräfte und neigen zur Auffassung: Jeder ist seines Glückes Schmied.
  • Gerechtigkeit: Dieses Denken unterscheidet sich diametral vom Karma-Denken. Menschen, die so denken, sind überzeugt: Es bedarf Regeln und einer Steuerung, um Gerechtigkeit sicherzustellen. Diese Überzeugung motiviert sie, einen aktiven Beitrag zum Schutz der (potenziell) Schwachen oder Bedrohten zu leisten – das können einzelne Menschen, die Umwelt oder Freiheit sein.

 

Die Antwort auf die „Why“-Frage entscheidet mit darüber, für wen Unternehmen attraktive Arbeitgeber sind. Angenommen ein Unternehmen bietet seinen Mitarbeitern die ideale Plattform, um technische Innovationen zu entwickeln. Diese Tatsache allein zieht Ingenieure mit einem Karma-Glauben an. Anders sieht es bei Personen aus, die das Thema Gerechtigkeit beseelt. Sie interessiert eher, was das Unternehmen produziert: Rüstungsgüter oder Medizintechnik? Wie sieht die Ökobilanz aus? Usw..

 

  1. How: Wie arbeite ich?

Das „How“ beschreibt die Art bzw. Strategie, mit der Menschen und Unternehmen ihre Ziele erreichen möchten.

  • community-orientiert: Nicht wenige Organisationen sind erfolgreich, weil sie ein Netzwerk von Förderern und Unterstützern haben. Das gilt zum Beispiel für die Alumni-Netzwerke vieler Hochschulen oder die Fan-Gemeinde von Apple. Auch viele Start-ups haben eine Community, die an ihre Vision glaubt und sie deshalb auch finanziell unterstützt.
  • menschenzentriert: Solche Organisationen glauben zum Beispiel, dass eine Unternehmenskultur, die den Mitarbeiter als Mensch in den Mittelpunkt stellt, zu den besten Ergebnissen führt. Oder dass Unternehmen, die den Kunden als Mensch in den Fokus nehmen, nachhaltig Erfolg haben.
  • strukturgetrieben: Strukturgetriebene Unternehmen glauben an den Markterfolg durch standardisierte Prozesse und Regelungen. Sie legen zum Beispiel Wert auf das Erfüllen von Normen und Qualitätsstandards sowie das Erlangen bestimmter Zertifikate.
  • wissensbasiert: Organisationen, die über Wissen am Markt erfolgreich sein wollen, sammeln und analysieren Daten und investieren viel Zeit und Geld in Forschung und Entwicklung sowie in die Weitergabe von Wissen.

 

Jeder dieser Wege kann zum Erfolg führen. Die Antwort auf die „How“-Frage entscheidet jedoch darüber, welchen Menschen ein Unternehmen eine Andockstelle bietet, um ihren persönlichen Sinn zu finden. Je stärker sich Mitarbeiter außer mit dem „Für wen“ und „Warum“ auch mit dem „Wie“ einer Firma identifizieren, umso bereitwilliger übernehmen sie Verantwortung.

 

 

Sinn-Empfinden fördert die intrinsische Motivation

 

Joachim Simon beim Online-Coachen

Speziell beim Besetzen von Schlüsselpositionen sollten Unternehmen darauf achten, dass die Kandidaten zu ihrem Purpose passen. Das beugt Fehlbesetzungen vor. Zudem sollten Unternehmen klar kommunizieren, wofür sie stehen – auch in puncto Personal- und Unternehmensführung, denn: Je klarer die Kommunikation ist, umso besser können potenzielle Mitarbeiter für sich entscheiden, inwieweit sie in dem Unternehmen vermutlich einen Sinn in ihrer Arbeit finden. Und umso weniger Energie müssen ihre Führungskräfte später investieren, ihnen einen Sinnzusammenhang aufzuzeigen. Denn die Mitarbeiter sind von sich aus überzeugt, am richtigen Ort zu sein und entsprechend stark intrinsisch motiviert.

Joachim Simon

 

Zum Autor: Joachim Simon, Braunschweig, ist Führungskräftetrainer und -coach. 2020 erschien sein Buch „Selbstverantwortung im Unternehmen“. Er ist Co-Founder der (Self-)Leadership Coaching-App Mindshine.

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