COACHINGMARKT, COACHING VERKAUFEN. Ich mache mich als Coach selbstständig. Das beschließen viele Männer und Frauen, die im Beratungsmarkt Fuß fassen möchten. Dies erweist sich oft als schlechte Entscheidung. Denn der Markt für Coaching wird stark überschätzt.
„Ich werde Coach.“ Diesen Beschluss fassen viele Männer und Frauen, die sich im Bildungs- und Beratungsmarkt selbstständig machen möchten. Oft muss man sich bei den Newcomern fragen, woraus sich ihre Kompetenz zum Beispiel als Karriere-Coach speist. Daraus, dass sie selbst noch vor wenigen Wochen erfolglos Bewerbungen schrieben? Oder als Konflikt-Coach – daraus, dass sie schon mehrere Konflikte mit ihrem Lebenspartner gelöst haben? Oder als Business- und Unternehmer-Coach – daraus, dass sie einige Jahre Angestellte von Unternehmen waren? Qualifiziert sie dies dazu, Unternehmer und Top-Manager bei Fragestellungen zu beraten wie: Soll unser Unternehmen expandieren oder nicht? Oder: Wie reagiere ich auf die aktuelle Wirtschaftskrise?

Ich bin felsenfest überzeugt „Als Coach wird man kein Millionär,“
„Nein, selbstverständlich nicht“, erwidern fast alle Newcomer auf solche Einwände. „Wir sind ja keine Fachberater. Aber wenn es um die Frage geht, wie schaffe ich die rechte Balance zwischen Beruf und Freizeit? Dann … Oder wenn die Mitglieder der Führungsmannschaft eines Unternehmens sich nicht mehr riechen können, dann …“ Stimmt, auch das sind mögliche Coaching-Themen. Doch welche obere Führungskraft akzeptiert einen Sozialpädagogen oder Logotherapeuten als Gesprächspartner, der noch nie einen Betrieb von innen sah? Hier prallen doch völlig verschiedene Lebens- und Erfahrungswelten aufeinander. Und gelten für das Schlichten von Konflikten zwischen Mitarbeitern oder Bereichen von Unternehmen nicht andere Regeln als für das Beilegen von Paarkonflikten?
Der Coaching-Markt ist kleiner als oft gedacht
Bei den meisten angehenden Coachs sollte denn auch die Empfehlung lauten: Macht euch nicht als Coach selbstständig. Denn als solche könnt ihr euren Lebensunterhalt nicht verdienen. Bestenfalls könnt ihr durch Coaching ein Zubrot erwerben. Dies ist den angehenden Coachs aber oft schwer zu vermitteln – vor allem, weil die Fachpresse diesem Thema seit Jahren eine so hohe Beachtung schenkt, dass man den Eindruck gewinnt: Coaching ist das Allheilmittel für alle Lebens- und Unternehmensfragen.
Doch die Praxis sieht anders aus. Fragt man Personalverantwortliche von Unternehmen, welche Rolle das Coaching in ihrer Organisation spielt, dann antworten sie meist: „eine steigende“. Fragt man nach, was dies bedeutet, erwidern sie in der Regel: Im Rahmen unserer Qualifizierungsmaßnahmen werden unsere Mitarbeiter zunehmend auch gecoacht. Das heißt: Die sogenannten Coachings sind faktisch Trainings-on-the-job. Deshalb erhalten diese Aufträge auch keine Coachs, sondern Trainingsanbieter, die diese Qualifizierungsmaßnahmen durchführen. Und wenn die Maßnahme 100 000 Euro kostet, dann entfallen vielleicht 10 000 oder 20 000 Euro auf die „Coaching“ genannten Einarbeitungen.
Coaching-Ausbildungen erfüllen Erwartungen oft nicht
Dessen ungeachtet existiert ein Markt für Coaching – genauer gesagt, ein Markt für Coaching-Ausbildungen. Er ist hart umkämpft. Viele Anbieter solcher Ausbildungen versprechen den Newcomern mehr oder minder direkt: Wenn ihr unsere Ausbildung absolviert, dann könnt ihr euch damit eine berufliche Existenz aufbauen. Das sind meist leere Versprechen, weil der Markt für Coaching nicht den von den Anbietern suggerierten Umfang hat.
Der Autor kennt, obwohl er in der Trainer- und Beraterszene recht gut verdrahtet ist, keinen Coach, der nur mit Coaching den Lebensunterhalt seiner Familie verdient. Deshalb sollten Personen, die sich für eine Coaching-Ausbildung interessieren, zunächst eine solide Trainer- oder Beraterausbildung absolvieren – auch, weil ein Blick in die Konzepte der meisten Coaching-Ausbildungen zeigt: Ihr Inhalt entspricht in großen Teilen denen der klassischen Trainer- und Beraterausbildungen. Viele Anbieter von Coach-Ausbildungen bieten denn auch parallel dazu Trainer- oder Beraterausbildungen an. Oder wieder andere waren vor drei, vier Jahren noch ausschließlich Anbieter von Trainerausbildungen. Das Label „Coaching-Ausbildung“ ist vielfach nur eine neue, verkaufsfördernde Verpackung, um sich neue Kundengruppen zu erschließen.
Vom Coaching allein kann man meist nicht leben

Mein Marketingklassiker: „Die Katze im Sack verkaufen: Bildung & Beratung mit System vermarkten“
Vom Coachen allein kann man nicht leben – das kann sich jeder selbst ausrechnen. Gehen wir davon aus, ein Coach möchte monatlich einen Umsatz von 7500 Euro erzielen, wovon die Büro-, Werbekosten usw. sowie die private Altersvorsorge und Krankenversicherung ungefähr ein Drittel verschlingen. Nehmen wir des Weiteren an: Der Coach arbeitet 18 Tage pro Monat (30 Tage minus 8 Tage Wochenende minus 1,5 Feiertage minus 2,5 Urlaubstage), wovon nochmals sechs Arbeitstage auf Büro-, Akquisetätigkeiten usw. entfallen. Dann muss der Coach an den verbleibenden zwölf Tagen jeweils einen Umsatz von circa 625 Euro erzielen. Deshalb sollte man sich die Frage stellen: Welche (fachliche) Expertise und/oder welch beträchtlichen Kundenstamm muss der Coach haben, damit er das vorgesehene Honorar erhält? Gerade „Quereinsteiger“ registrieren schnell: Das schaffe ich nicht.
Coaching-Ausbildungen rechnen sich (wirtschaftlich) also eigentlich nur für (Fach-)Trainer und -Berater, die ihr Leistungsspektrum um Trainings-on-the-jobs erweitern möchten – und deshalb auch die nötige Kompetenz brauchen, um auf Ängste, Bedenken und Widerstände von Menschen angemessen zu reagieren; oder für solche, die einen „Beleg“ brauchen, mit dem sie (Neu-)Kunden dokumentieren können: Ich verfüge über diese Kompetenz. Sie rechnen sich zudem oft für Personen, die in eher schlecht bezahlten „therapeutischen“ Berufen arbeiten (wie Physio- und Logotherapeuten) und sich ein zweites berufliches Standbein aufbauen möchten.
Coaching ist attraktiv für Parttime-Worker und „alte Hasen“
Aber noch für eine weitere Personengruppe ist die Existenz als Coach oft attraktiv: alternde Trainer und Berater. Sie bringen neben den erforderlichen Kontakten und Beziehungen auch die nötige berufliche Erfahrung und Expertise zum Coachen von Unternehmern und oberen Führungskräften mit. Die zumeist schon leicht ergrauten Herren absolvieren in der Regel keine Coaching-Ausbildung. Sie beschließen vielmehr einfach irgendwann: Fortan arbeite ich primär als Coach … selbst wenn ich dann weniger als bisher verdiene. Warum? Sie haben aufgrund ihrer bisherigen Trainer- und Beratertätigkeit ihre Schäfchen meist schon weitgehend im Trockenen und mehr Lebensqualität ist ihnen wichtiger als weiterhin Spitzen-Umsätze zu erzielen. Denn insgeheim bereiten sie sich schon auf den Ruhestand vor.