SALES- & MARKETING-FUNNEL. „Webseite war gestern. Heute ist Funnel.“ Diesen Spruch las ich heute Morgen im LinkedIn-Portrait eines Online-Marketers.
Daraufhin entschied ich „Jetzt schreibst du mal einen Blog-Beitrag zu diesem Thema“, weil mich seit Monaten das Sales-Funnel- bzw. Marketing-Funnel-Geschwätz einiger Online-Marketer nervt – das leider so mancher Berater, gleich welcher Couleur, glaubt.

„Sales-Funnel sind ein alter Hut. Früher sagte man zu ihnen schlicht Verkaufstrichter.“
Um dieses Thema wird aktuell von einigen Online-Marketing-Unterstützern ein ebenso großes „Bohai“ gemacht, wie in den zurückliegenden Jahren zunächst um die Themen Blogs, dann Guerilla-Marketing, dann Social-Media, dann Videos, dann Content-Marketing, dann Landingpages usw. Und wie die vorgenannten Themen versuchen nicht wenige Online-Marketer auch das Thema Sales- und Marketing-Funnel als das „Zaubermittel“ bzw. Non-plus-Ultra im Marketing und Vertrieb zu verkaufen.
Sales-Funnel und Marketing-Funnel sind ein alter Hut
Dabei ist das Thema „Sales-Funnel“ bzw. „Marketing-Funnel“ ein alter Hut, den
- jeder Vertriebler unter dem Namen „Vertriebs-“ oder „Verkaufstrichter“ kennt und
- der letztlich das Maßnahmen-Bündel bezeichnet, mit dem eine Organisation oder ein Verkäufer zunächst die Aufmerksamkeit und das Interesse der Zielkunden weckt und diese dann Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung führt.
Das Wort „Funnel‘“ klingt aber chicer oder moderner als das Wort „Trichter“; also lässt es sich auch besser vermarkten.
Die AIDA-Formel: die Basis aller Sales- und Marketing-Funnel
Jedem Vertriebs- und Verkaufstrichter bzw. Funnel liegt letztlich die altbekannte AIDA-Formel für den Verkauf insbesondere von komplexen, erklärungsbedürftigen Produkten und Dienstleistungen zugrunde, die keine sogenannten „Schnelldreher“ sind – also Produkte, die ein potenzieller Kunde mal eben so schnell und spontan kauft wie eine Kugel Eis im Sommer, weil er gerade mal Lust darauf hat.
Der AIDA-Formel zufolge durchläuft jeder Kunde, bevor er letztendlich ein Produkt kauft, mehrere Stufen der Kaufentscheidung. Diese sind
- Stufe 1: Attention (Aufmerksamkeit)
- Stufe 2: Interest (Interesse)
- Stufe 3: Desire (Kauf-Wunsch)
- Stufe 4: Action (Kauf-Aktion)
Und dafür, dass der (potenzielle) Kunde diesen Prozess durchläuft, sollte jeder Anbieter sorgen.
Nicht die Einzelmaßnahme, das System ist erfolgsentscheidend
Denn es nutzt zum Beispiel dem Besitzer eines Ladengeschäfts wenig, wenn dieses zwar viele Besucher, sogenannte „Schaukunden“, aber kaum „Kaufkunden“ hat – zum Beispiel, weil das Geschäft die falschen Produkte anbietet oder diese schlecht präsentiert. Am Abend ist seine Kasse leer.
Ebenso wenig nutzt es jedoch einem Ladenbesitzer, wenn er in seinem Geschäft eine Top-Ware für seine Zielkunden anbietet und diese 1A-präsentiert, es ihm aber nicht gelingt, ausreichend Interessenten hierfür in seinen Laden zu ziehen. Dann stehen er und seine Mitarbeiter allein im Laden, und am Abend ist die Kasse ebenfalls leer – weil das Gesamtsystem nicht stimmt.
Auch Berater-Webseiten brauchen eine zielführende Struktur
Ähnlich verhält es sich mit Berater-Webseiten. Es nutzt einem Berater wenig, wenn seine Webseite, weil sie gut im Netz gefunden wird, zwar viele Besucher hat, (er also eine hohe Aufmerksamkeit hat), diese jedoch rasch wieder verschwinden, weil die Inhalte der Webseite weder ihr Interesse, noch einen Kauf-Wunsch bei ihnen wecken.
Umgekehrt nutzt es einem Berater jedoch auch wenig, wenn die Produkte auf seiner Webseite für seine Zielkunden zwar hochinteressant wären, diese aber kaum Besucher hat – zum Beispiel, weil sie bei der Suche im Netz nicht gefunden wird. In beiden Fällen generiert der Anbieter (zumindest über seine Webseite) keine Anfragen und Aufträge. Das heißt, er ist erfolglos.
Also sollten sich Berater, wie alle Unternehmer, überlegen, wie sie ihre Kunden Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung führen. Oder anders formuliert: Sie sollten eine Marketing- und Vertriebsstrategie für ihre Unternehmung entwerfen, die ihre verschiedenen Off- und Online-Marketing- und -Vertriebsaktivitäten zu einem zielführenden System zusammen bindet (die fehlt vielen).
Viele Online-Marketer sind Produkt- und keine Lösungsverkäufer
Soweit so gut. Was aber an dem aktuellen Sales-Funnel-Geschwätz nervt, ist, dass die Online-Marketer den Beratern dreierlei suggerieren.
- Marketing- und Sales-Funnel seien der neuste Schrei. Nein, sie sind ein alter Hut. Das einzige, was neu ist: Einige Online-Marketer haben endlich auch entdeckt, dass neben der Webseite auch die sonstigen (Online-)Marketing-Aktivitäten ihrer Kunden kein Selbstzweck sind, sondern eine (Teil-)Funktion in deren Marketing- und Vertriebssystem erfüllen müssen.
- Die Berater müssten in ihre Webseite einen extra Marketing- und Sales-Funnel integrieren. Dabei ist jede Webseite, die letztlich nicht wie ein Marketing- und Verkaufstrichter funktioniert, also die Zielkunden in ihrem Kaufentscheidungsprozess zwei, drei Schrittchen weiterführt, schlicht falsch konzipiert.
- Wenn Berater in ihre Webseite und in ihr Online-Marketing einen Sales-Funnel integrieren, dann generieren sie automatisch Aufträge. Die Aufträge fliegen ihnen dann sozusagen wie gebratene Täubchen in den Mund.
Trainings- & Beratungsprodukte lassen sich fast nie online verkaufen
Letzteres ist absoluter Quatsch bzw. ein reines Wunschdenken, denn dies ist nur bei Produkten bzw. Dienstleistungen möglich, die mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllen.
- Die bestellten Waren können jederzeit, wie zum Beispiel die Schuhe bei Zalando, zurückgegeben werden. Das ist bei Trainings- und Beratungsleistungen grundsätzlich nicht der Fall.
- Sie sind aus Kundensicht billig bzw. extrem preiswert, so dass der Kunde denkt „Macht nix, wenn ich die drei, vier Euro in den Wind schreiben muss“, und ihr Besitz hat für die Kunden keine Relevanz, so dass sie denken: „Schadet nix, wenn ich einen Fehlkauf tätige“. Beides ist bei Bildungs- und Beratungsleistungen in der Regel nicht der Fall, denn diese sind aus Kundensicht meist teuer und haben für die Kunden durchaus eine hohe Relevanz, weil ihnen ein konkretes Problem, das sie lösen möchten, auf den Nägeln brennt.
Verkauf erfolgt im persönlichen Kontakt zwischen Anbieter und Kunde
Deshalb lässt sich für die meisten Trainings- und Beratungsleistungen, geht man von den AIDA-Stufen der Kaufentscheidung aus, mit der Webseite und den Online-Marketing-Aktivitäten maximal das Interesse der Zielkunden wecken. Gelingt dies, dann kontaktieren sie den Berater. Und danach beginnt erst der eigentliche Verkauf und zwar im Dialog zwischen dem Anbieter, also Berater, und seinem potenziellen Kunden.
Dass sich via Marketing- und Sales-Funnel – vielleicht Restplätze für Motivationstage für 9,99 Euro vermarkten lassen, aber – keine komplexen Trainings- und Beratungsleistungen verkaufen lassen, ist anscheinend auch den meisten Marketing- und Sales-Funnel-„Spezialisten“ unter den Online-Marketern bewusst. Liest man nämlich ihre Werbetexte genauer, dann merkt man rasch: Letztlich geht es eigentlich stets nur um das Thema Marketing und nicht um das Thema Verkauf oder Vertrieb.
Die meisten Marketing- und Sales-Funnel sind reine Marketing-Funnel
Viele der von ihnen konzipierten Marketing- und Sales-Funnel zielen denn auch letztlich nur darauf ab, dass potenzielle Kunden zum Beispiel einen Newsletter abonnieren. Und die Zahl der neuen gewonnenen Abonnenten? Sie wird als Beleg für das Funktionieren des Marketing- und Sales-Funnel verkauft.
Die hinzugewonnene Zahl von Newsletter-Abonnenten oder die gestiegene Zahl von Followers in den Social Media mag ja erfreulich sein. Doch verkauft hat der Berater deshalb noch nichts. Er hat nur mehr „Schaukunden“ (die meist nix kaufen), die er jedoch fortan regelmäßig beglücken und bespaßen muss.