MARKETINGSTRATEGIE, SOCIAL MEDIA STRATEGIE. Die jungen Marketingverantwortlichen in den Beratungsunternehmen haben oft einen anderen Blick darauf, was im Marketing und B2B-Vertrieb zielführend ist, als ihre älteren Berufskollegen. Diese Erfahrung sammle ich.
„Ist die Kunden- und Auftragsakquise für Berater – trotz der vielen digitalen Marketinginstrumente, die ihnen heute zur Verfügung stehen – in den letzten Jahrzehnten eigentlich schwieriger als früher geworden?“ Diese Frage beschäftigte mich in den letzten Wochen (angeregt durch den Consulting.de-Kolumnenbeitrag von Wolfram Saathoff „A4 lebt – Warum Print noch lange nicht tot ist“).
Ältere Berater sagen: Die Kunden- und Auftragsakquise ist schwieriger geworden …

Ältere Berater, Coaches sagen: Der Markt ist schwieriger und das Marketing ist diffizieller geworden
Hierzu habe ich eine klare Meinung, doch diese ist rein subjektiv. Also fragte ich mal etwa ein Dutzend Berater, die schon, bevor 2006 das erste Smartphone auf den Markt kam, im Beratungsmarkt aktiv waren, nach ihrer Meinung.
Ihr einhelliges Votum: Es ist heute schwieriger, Kunden und Aufträge zu generieren, als damals, als es all diese digitalen Tools wie LinkedIn, Telegram, X, YouTube, Podcasts usw. noch nicht gab und sich unser Marketing weitgehend darauf beschränkte,
- Artikel und Anzeigen in Fachzeitschriften zu platzieren,
- Werbebriefe an Zielkunden zu senden,
- diese mehr oder weniger regelmäßig anzurufen und zuweilen zu einer Kundenveranstaltung einzuladen und
- unsere Webseite so zu gestalten, dass diese informativ war und einigermaßen gut im Netz gefunden wurde (denn Webseiten gewannen im Marketing schon ab 1993 zunehmend an Bedeutung, als das World-wide-web zur allgemeinen Nutzung freigeschaltet wurde.)
… und wir fischen beim Marketing öfter im trüben Teich
Zudem äußerten die befragten Berater nahezu einstimmig:
- „Unser Markt ist heute diffuser als vor 20 oder gar 30 Jahren.“ Und:
- „Berater benötigen heute mehr Marketing-Know-how, um zielführende Marketing- und Vertriebsstrategien zu entwickeln und umzusetzen“ Und:
- „Heute fischen wir – so unser Eindruck – beim Marketing viel öfter im trüben Teich als vor 20 oder gar 30 Jahren.“
Zugegeben die befragten Berater waren alle – wie ich – älteren Baujahrs, weshalb ihre Markteinschätzung vermutlich eine andere als die jüngerer Berater und Marketer ist. Doch Letztere zu befragen, hätte nichts gebracht, da sie den Markt von damals ja gar nicht kennen. Deshalb dürfte auch ihre Sicht auf den heutigen Markt und darauf, was in ihm wichtig und dringlich ist, eine andere sein.
Junge Berater und Marketer schätzen den „Need“ oft anders ein

Die jungen (Marketing-)Berater sehen oft einen ganz anderen „Need“ als ihre älterem Kollegen
Diesen Eindruck habe zumindest ich, wenn ich jobbedingt mit Marketingverantwortlichen von (größeren) Beratungsunternehmen spreche, die nicht selten halb so alt sind wie ich, denn: Die Marketinggilde ist ein vergleichsweise junge. Dann registriere ich immer wieder: Sie leben in einer anderen (Marketing-)Welt und schätzen deshalb auch den „Need“ im Marketingbereich anders ein.
Als Beispiel sei der Social-Media-Bereich genannt. Für das Gros meiner jungen Berufskollegen ist es ein absolutes „Muss“, in ihm aktiv zu sein – nicht nur für Anbieter im B2C-, sondern auch B2B-Bereich. Für mich hingegen sind diese Medien zwar smarte Tools. Die Aktivitäten in ihnen sind für mich jedoch nur das Sahnehäubchen auf den Marketing-Aktivitäten im B2B-Bereich, die tragenden Säulen eines funktionierenden Marketing- und Vertriebskonzepts sind andere.
Frage: Stimmt im Social-Media-Bereich usw. die Input-Output-Relation?
Immer wieder spreche ich mit jungen Marketingverantwortlichen in Beratungsunternehmen hierüber und frage sie zum Beispiel:
- „Wie viele der Personen, denen Eure Posts angezeigt werden (Impressions), lesen diese tatsächlich (Klicks)?“ Und:
- „Wie viele besuchen, sofern ein entsprechender Link in den Post integriert ist, Eure Webseite oder machen dies eigeninitiativ nach dessen Lektüre?“
Dann lautet die Antwort, sofern die Marketer die Zahlen kennen, nicht selten: „Von den 1000 Personen, denen der Post angezeigt wird, lesen ihn im Schnitt 20 bis 30 und 2, 3 besuchen unsere Webseite.“ Bei solchen Zahlen frage ich mich: Steht der Output in einer vernünftigen Relation zur investierten Zeit? Trotzdem sind die Social-Media-Aktivitäten für meine jungen Berufskollegen ein absolutes Muss.
Frage: Erreicht Ihr über die Social-Media, mit Podcasts usw. Eure Zielkunden bzw. die Entscheider?

Erreicht man über die Social-Media, mit Podcasts usw. die Entscheider im B2B-Bereich?
Ähnlich sind oft die Ergebnisse, wenn ich sie zum Beispiel frage: „Wie viele Eurer Follower auf LinkedIn, die Eure Posts anschauen, liken, kommentieren und teilen, sind tatsächlich Zielkunden von Euch?“ Dann zeigt sich oft: maximal 10 Prozent. Der Rest sind ebenfalls Berater oder ähnliche Dienstleister. Dann frage ich mich: Gibt es keine effektiveren Wege, um mit Zielkunden in Kontakt zu treten und mit ihnen zu kommunizieren?
Ähnliches verhält es sich, wenn ich mit den Marketern über die grundsätzliche Bedeutung der mobilen Kommunikation für das B2B-Marketing spreche. Dann frage ich sie zuweilen: „Habt Ihr schon mal gecheckt, wie viel Prozent der Besucher über stationäre sowie mobile Endgeräte auf Eure Webseite kommen und wie lange diese dort verweilen?“ Denn zumindest meine Erfahrung bei unseren B2B-Kunden ist: Das Gros ihrer Webseiten-Besucher kommt nach wie vor über stationäre Endgeräte und diese verweilen etwa fünf Mal so lange auf der Webseite wie die User mobiler Endgeräte. Warum? Sie suchen jobbedingt, also weitgehend am Arbeitsplatz, nach den Leistungen der B2B-Berater und haben keine Lust, sich komplexe Beratungskonzepte auf einem zigarettenschachtel-großen Endgerät namens Smartphone anzuschauen.
Frage: Wie wandelt Ihr die (virtuellen) Kontakte in persönliche Beziehungen um?

Herausforderung nicht nur im B2B-Bereich: die virtuellen Kontakte in persönliche Beziehungen umwandeln.
Ähnlich verhält es sich, wenn ich frage:
- „Wie wandelt Ihr Eure virtuellen Kontakte in reale Beziehungen um?“ Und:
- „Wie sorgt Ihr dafür, dass die Beziehung zu den potenziellen Käufern Eurer Leistungen unter ihnen immer heißer wird, so dass diese letztlich sagen ‚Ja, das will ich haben‘.“
Dann erhalte ich oft eine Antwort wie „Wir laden diese zuweilen zu einem Online-Seminar ein“, doch das war’s dann zumeist auch. Zusammengefasst heißt dies: In sich schlüssig und zielführend wirken die Marketing- und Vertriebskonzepte vieler Beratungsunternehmen auf mich nicht – wobei ich gestehe, dass ich diese zumeist nur fragmentarisch kenne.
Generell ist mein Eindruck:
- Vielen jungen Marketern ist nicht ausreichend bewusst, dass Kontakte noch lange keine Beziehungen sind. Und:
- Viele von ihnen befassen sich nicht ausreichend mit der Frage: Wie wandeln wir virtuelle Kontakte in reale persönliche Beziehungen um?
Dabei wäre dies gerade im B2B-Bereich wichtig. Denn in ihm werden den Zielkunden anders als im B2C-Bereich meist keine Produkte/Leistungen offeriert, die sogenannte Schnelldreher sind – die Kunden also mal soeben, spontan kaufen, weil sie hierauf gerade Lust haben. Ihr Kaufentscheidungsprozess erstreckt sich vielmehr meist über Monate und gar Jahre, und entsprechend systematisch muss der Beziehungsaufbau und -ausbau sein, damit die Zielkunden irgendwann sagen: „Ja, das will ich haben.“
Für einen systematischen Beziehungsauf- und -ausbau fehlen den Beratungen oft die Instrumente

Im B2B-Marketing & -Vertrieb müssen die Beziehungen mit System auf- und ausgebaut werden.
Hierzu fehlen den Beratungsunternehmen aber immer häufiger die nötigen Instrumente. So habe ich zum Beispiel den Eindruck, dass immer weniger von ihnen einen gepflegten Adresspool haben, den sie mit System auf- und ausbauen. Deshalb könnten sie – selbst, wenn sie es wollten – ihren Zielkunden keine personalisierten Mails mit Angeboten und Tools wie Artikeln oder Checklisten, die dazu dienen, sich als „Spezialist für …“ zu profilieren, mehr senden. Und weil kaum noch personalisierte Mails ihre Büros verlassen, fehlen ihnen auch die Anlässe, ihre Zielkunden telefonisch zu kontaktieren und zum Beispiel nachfragen
- „Ist unser Angebot xy für Sie interessant?“
- „Enthielt der Artikel, die Checkliste, die Projektbeschreibung, die ich Ihnen sandte, ein, zwei Impulse/Anregungen für Sie?“
um die persönliche Beziehung zu ihnen auszubauen. Stattdessen werden die „sehr geehrten Kunden“ mit irgendwelchen standardisierten Newslettern, die an Gott und die Welt versandt werden, abgespeist. Als Individuum wahr- und ernstgenommen sowie wertgeschätzt fühlen sich diese hierdurch nicht.
Zielkunden werden oft mit digitaler, unpersönlicher Massenkommunikation abgespeist
Generell habe ich den Eindruck: Der persönliche Beziehungsauf- und -ausbau per personalisierten Mails bzw. Werbeschreiben, per Telefon aber auch Kundenbesuchen spielt in den Marketing- und Vertriebskonzepten der meisten B2B-Anbieter eine immer geringere Rolle, obwohl alle Welt vom Thema „individuelle Wertschätzung“ schwatzt. Stattdessen werden die Zielkunden, von denen die Anbieter sich Aufträge in fünf-, sechs- oder gar siebenstelliger Höhe erhoffen, zunehmend mit einer standardisierten, digitalen Massenkommunikation abgespeist.
Doch angenommen ein potenzieller Kunde ruft trotzdem mal bei einem Anbieter an, weil ein Post oder Video im Internet sein Interesse weckte und bittet um nähere Infos, weil er seinen Kollegen das Produkt oder die „Problemlösung“ vorstellen möchte. Dann wird er nicht selten auf eine Unterseite auf der Anbieter-Webseite verwiesen und erhält im Optimalfall eine pdf zugesandt, denn (womit wir wieder beim eingangs erwähnten Kolumnenbeitrag von Herrn Saathoff wären): Gedruckte Werbeunterlagen haben heute die meisten Beratungsunternehmen nicht mehr (schließlich leben wir ja im digitalen Zeitalter). Dabei kann man hochwertige, aufgrund ihres Designs und ihrer Haptik eine gewisse Wertigkeit ausstrahlende Prospekte, Flyer usw. gefühlt heutzutage nahezu umsonst drucken lassen. (Und das nötige Geld für eine Briefmarke dürften die meisten Beratungsanbieter auch noch in der Kasse haben.)
Welcher Marketer möchte ein „Fossil aus alten Zeiten“ sein?

Ich möchte kein Fossil im Beratungsmarkt sein. Doch vielleicht bin ich es schon?
Über solche Dinge mit Marketingverantwortlichen der Generation X, Y oder gar Z zu sprechen, erweist sich jedoch – zumindest für mich – zumeist als vergebliche Liebesmühe (schließlich ticken, so ihre Überzeugung, im digitalen Zeitalter bzw. KI-Zeitalter, die Uhren ja ganz anders). Hiermit kann man sich bestenfalls als „alter Sack“ bzw. „Fossil“ im Markt profilieren, der noch in Kategorien von vor zwei, drei Jahrzehnten denkt.
Dessen ungeachtet sammeln viele meiner B2B-Kunden die Erfahrung: Mit personalisierten Mailings, Telefonanrufen und Kundenbesuchen ziehen wir die meisten und lukrativsten Aufträge an Land – vermutlich gerade, weil das Gros der Beratungsunternehmen inzwischen primär auf digitale Marketingtools setzt, weshalb die potenziellen Kunden die aus der Mode gekommenen, jedoch alt-bewährten Marketingtools heute viel stärker als ein Ausdruck individueller Wertschätzung wahrnehmen als vor 20 oder gar 30 Jahren als diese die Standardtools waren.
Marketingstrategie-Blog-Beitrag im Portal consulting.de
Dieser „Marketingstrategie im KI-Zeitalter“-Blogbeitrag von mir wurde in einer leicht varierten Fassung zunächst als Kolumnen-Beitrag im Portral www.consulting.de veröffentlicht. DANKE, geschätzte Redaktion

