WEITERBILDUNG, NEUES LERNEN. Die Fachzeitschrift „wirtschaft+weiterbildung“ wurde vom Haufe-Lexware Verlag in „neues lernen – Inspiration für die Entwicklung von Mensch und Organisation“ umbenannt.
Genauer gesagt der Verlag hat, wie die Chefredakteurin Kristina Enderle da Silva im Editorial der ersten Ausgabe von „neues lernen“ schreibt, die Zeitschrift „wirtschaft+weiterbildung“ weiterentwickelt und „ein grundlegend neues Konzept für sie“ entworfen: „Wir haben ein multimediales Produkt geschaffen, das Ihnen den Zugang und die Nutzung unserer Inhalte auf verschiedenen Wegen ermöglicht. das Magazin mit einer anspruchsvollen Optik, die dazugehörige App und das Online-Portal (www.neues-lernen.org) mit aktuellen Nachrichten und nicht zuletzt der Podcast mit interessanten Gästen aus der Lernszene.“
Das Magazin „neues lernen“ ist optisch und inhaltlich ansprechend.
Und ich muss gestehen – nachdem ich das Magazin mehrfach durchgeblättert und mehrere Artikel zumindest quergelesen habe: Das neue Magazin „neues lernen“ ist sehr ansprechend – sowohl optisch als auch inhaltlich. Und man spürt, dass in seine Entwicklung viel „Hirnschmalz“ floss. Gratulation an alle Beteiligten!
Doch leider ist mit der Umbenennung der Zeitschrift „wirtschaft+weiterbildung“ in „neues lernen“ eine der bedeutsamsten Spuren verschwunden, die ich im Laufe meiner beruflichen Biografie im Weiterbildungsmarkt hinterlassen habe.
Der Name „wirtschaft+weiterbildung“ wuchs auf meinem Mist
Denn vor über 30 Jahren, nachdem ich der Verantwortliche für die damals noch im Besitz des Jünger Verlags sich befindende Zeitschrift „weiterbildung“ geworden war, war eine meiner ersten Amtshandlungen, diese Zeitschrift in „wirtschaft+weiterbildung“ umzubenennen, um stärker zum Ausdruck zu bringen, dass diese sich ausschließlich mit dem Thema betriebliche Weiterbildung und Personalentwicklung befasst.
Nicht nur Trainer und Berater müssen Geld verdienen
Die Motive hierfür waren primär monetärer Art: Denn als auch für die Finanzen verantwortlicher Leiter des Profitcenters „Weiterbildung“ wollte ich dafür sorgen, dass die Zeitschrift für die Privatwirtschaft und solche kapitalkräftigen Anzeigenkunden attraktiver wird wie
- Unternehmens-/Managementberatungen und Trainingsinstitute,
- Tagungshotels und Kongresshallen,
- Anbieter von Lerntechnologie und Präsentationstechnik.
Ziel: möglichst viele Anzeigen von Trainern, Beratern akquirieren
Um möglichst viele Anzeigen akquirieren zu können, integrierten wir in das Magazin auch den sogenannten WeiterbildungsMarkt, der es auch (Einzel-)Trainern und -Beratern und kleinen Tagungshäusern mit einem geringen Marketingbudget ermöglichte, sogenannte Textanzeigen in dem Magazin zu schalten.
Diese Veränderungen fanden selbstverständlich auch die Zustimmung des damaligen Inhabers des Jünger-Verlags – mit dem ich ansonsten von Anfang an weitgehend über Kreuz lag (weshalb meine Verweildauer in dem Verlag auch nur etwa 2,5 Jahre betrug).
Das Wort „lernen“ war für viele Trainer lange Zeit ein Unwort
Beim Lesen des neuen Titels der Zeitschrift „wirtschaft+weiterbildung“ musste ich jedoch auch schmunzeln. Denn jahrzehntelang schlug ich mich sowohl als Redakteur von HR-Zeitschriften als auch Inhaber der PR- und Marketing-Agentur die PRofilBerater damit herum, dass insbesondere viele auf das Entwickeln und Fördern von Soft-Skills spezialisierte Trainer, Berater und Coaches partout nicht wollten, dass in ihren Texten bzw. den Texten über sie das Wort „lernen“ steht. Ihre Begründung hierfür: Bei ihren Zielkunden sei das Wort aufgrund ihrer schulischen Biografie negativ konnotiert.
… und der Ausdruck „lebenslanges Lernen“ ein Kaptalverbrechen
Deshalb durfte zum Beispiel in den Artikeln, die ich als Ghostwriter für sie schrieb, keinesfalls ein Satz stehen wie: „Die Mitarbeiter müssen lernen, Botschaften klar zu kommunizieren“. Stattdessen musste der Text lauten: „Die Mitarbeiter sollten die Fähigkeit…“ oder noch besser „… die Kompetenz entwickeln, klar zu kommunizieren“. Und sozusagen ein Kapitalverbrechen war es, den Ausdruck „lebenslanges Lernen“ in Texten zu verwenden. Denn dieser legt, so die Begründung der Trainings- und Seminaranbieter, „die Assoziation von einer lebenslangen Gefängnisstrafe nahe“.
Auch das Wort „müssen“ war für viele Trainer, Berater tabu
Auch Sätze wie „Die Führungskräfte müssen ihre Kernaufgaben erfüllen“ waren tabu. Sie mussten stattdessen zum Beispiel lauten „Die Führungskräfte sollten danach streben, ihre Kernaufgaben zu erfüllen“, denn auch das Wort „müssen“ war für viele Trainer ein absolutes No-go.
Dass in ihren Texten keinesfalls die Worte „lernen“ und „müssen“ stehen dürfen, war über Jahrzehnte hinweg nicht selten der einzige Input und sowie das einzige Feedback, das ich von einer gewissen Gattung von sogenannten Fachtrainern als „Schreiberling“ ihrer Artikel erhielt.
Eine neue Generation übernimmt im HR-/Trainingsbereich das Ruder
Doch diese „Dogmatiker“ unter den Beratern, Trainern, Coaches sterben allmählich aus– so mein Eindruck. Dies legt zumindest die Tatsache nahe, dass der Haufe-Lexware-Verlag seine Zeitschrift nun schlicht „neues lernen“ nennt.
Dies ist für mich zudem ein Indiz dafür, dass
- sich im HR-Bereich bzw. Bereich der betrieblichen Weiterbildung und Personalentwicklung ein Paradigmenwechsel vollzogen hat und
- in ihm zunehmend eine neue Generation das Sagen hat – eine Generation, die ein anderes Lernverständnis hat und deshalb zum Beispiel ganz selbstverständlich von der Notwendigkeit „lebenslang zu lernen“ spricht (… und. weil es „hipp“ ist, solche Begriffe wie „Learnings“, „Learning Nuggets“ und „Blended Learning“ gebraucht).